Zur Geschichte des Sanatoriums ist ein Text in Maschinenschrift überliefert, verfasst von Fritz Stubbe (1896–1960):
»Von meinem Vater, Otto Stubbe (1863–1902), wohnhaft gewesen in Hohenfelde bei Mittelnkirchen (Altes Land) wurde im Januar 1900
das Sanatorium »Otto Stubbe« als »Villa Elisabeth« eröffnet. Meine Mutter, Marie Ernestine geb. Feraud (1869–1949),
war ihm eine tatkräftige Hilfe in seinen wenigen von Krankheit und finanziellen Sorgen erfüllten Jahren, die er hier verleben durfte.
Mein Vater starb bereits mit 39 Jahren auf seiner Rückfahrt von Korsika in einem Hotel zu Marseille am 19. Dezember 1902.
Das Sanatorium wurde im Jahre 1899 durch den Bauunternehmer Hermann Zietzling, Ellrich, erbaut ..... «
Abb. 1: Sanatorium »Villa Elisabeth« | 1900
»Mein Vater war trotz seiner schweren Erkrankung ein energischer und unternehmender Hamburger Kaufmann und erweiterte den Bau
1901/02 nach rechts und links. Der westliche Flügel wurde erst im Frühjahr 1903 fertig gestellt und durch Pastor Hermann Preu (1838–1912)
geweiht. – Es war nun Platz für 60 leicht-lungenkranke Patienten der Landesversicherung Sachsen-Anhalt geschaffen. Vorher war aber die Frage
der notwendigen Grundstückserweiterung zu lösen. Der Erwerb des im Osten gelegenen Bauernhofs von Broemme |1|, früher Blauwitz,
scheiterte an einer formellen Hartnäckigkeit unseres Geldgebers Sievers, Hamburg, so daß das im Westen vorgelagerte Häuschen mit dem
dahinterliegenden Berg für 18.000 RM von Frau Karoline Wilhelmine Ellissen verw. Müller geb. Schlüter (1843–?) erworben werden mußte.
Dieses Haus diente als Privat- und Verwaltungshaus [Abb. 2]. Die sog. Veranda wurde in den folgenden Jahren massiv aus- und
überbaut. Das Haus wurde mit Zentralheizung und Linoleum versehen. Dieses Haus muß etwa 1901 übernommen worden sein. Der Hausschlüssel
wurde mir als Junge von ca. 5 Jahren von dem in einem Break abfahrenden Ellissen übergeben.«
Abb. 2: Villa Hirschfeld an der heutigem Dr.-Kremser-Straße | um 1910
(vorm. Sanatorium »Villa Carola«, Inh. A. Ellissen)
»Nach dem leider so frühen Tode meines 39jährigen Vaters hatte meine Mutter mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen,
die in den Jahren nach dem Tode des Stiefvaters [Dr. med. Hermann Hirschfeld] ihre Fortsetzung fanden. Im Jahre 1910 trug
sie sich mit dem Gedanken zu verkaufen. Der interessierte Arzt konnte sich aber nicht zu dem Kauf entschließen und so unterblieben weitere
Versuche. Die lebensbejahende Natur meiner Mutter überwand alle Schwierigkeiten und Widrigkeiten, die der Betrieb mit sich brachte,
schneller als andere Menschen.– Ihre Losung war es: „Es wird schon gehen!”
Nachdem die Landesversicherung Sachsen-Anhalt 1906 genügend Plätze in eigenen Sanatorien hatte, wurde das Sanatorium bis 1911 durch die
Landesversicherung Brandenburg belegt |2|. Während einer Übergangszeit war der Betrieb halb mit Versicherungs- halb mit
Privatpatienten belegt. Die Mahlzeiten wurden damals in dem noch schmalen Speisesaal getrennt serviert. 1912 wurde die Küche und der
darüberliegende Speisesaal erweitert. Der Kostenpreis betrug damals 12.000 RM. Der große Träger mußte damals extra angefertigt
werden bei einer Lieferzeit von einem halben Jahr. Ein Mitarbeiter des Herrn Zietzling, namens Steffens, brachte mit nur einem Mann
den Träger in die erforderliche Lage, was eine erstaunliche Leistung war! 1910 wurde der Badezimmer- und Klosettraum mit ca. 10.000 RM
errichtet und 1911 wurde der Ausbau des heutigen Lesezimmers mit ca. 4.000 RM an der westlichen Ecke des Hauses ausgeführt.
Im Jahre 1904 schuf Dr. Hermann Hirschfeld einen kleinen Kreis von Privatpatienten, die z. T. im Privathaus und im Sanatorium untergebracht
waren. Die Patienten aßen und hielten sich auch in unseren Privaträumen auf. Ich bin als Kind mitten unter den Patienten aufgewachsen.
1908 wurde dann der Speisebetrieb und die Gesellschaftsräume in das Sanatorium verlegt. Die teuren Um- und Ausbauten sowie die Ausstattung
der Zimmer mit Linoleum und Marmorwaschtischen erforderten wiederum Investitionen und andere Rückstände, die durch die Aufnahme einer Hypothek
von 30.000 RM (Dr. med. Arthur Krause) geregelt wurde.
Die Kriegs- und Inflationszeit 1914 / 1924 bedeuteten eine schwere Belastung für das Haus. Die Verpflegungsverhältnisse waren ab 1916
äußerst schwierig und schlecht. Ebenso war der Ersatz von Betten, Wäsche und anderen Haushaltsgegenständen kaum oder gar nicht möglich.
Während der Kriegsjahre hatte man mehr und mehr Reichsversicherungspatienten aufgenommen.– Die Versicherung paßte sich sehr schlecht
den Preisverhältnissen an und zahlte in Inflationszeiten, die schon während der Kriegsjahre begannen und in den Jahren 1918 bis
November 1923 einen wirtschaftszerstörenden Charakter annahmen, erst wenn das Geld entwertet war. Bei Beginn der Stabilisierung,
das heißt die Schaffung der Rentenmark, war die Kasse der Versicherung versiegt und sie konnte zunächst keine Patienten mehr schicken.
Die Anstalt war also einige Monate leer und man entschloß sich Privatpatienten zu nehmen, insbesondere da der Preis, den die
Reichsversicherung später bot, nur 4,50 RM pro Tag und Kopf betrug.«
Mit dem Vermerk »nicht weitergeführt« enden an dieser Stelle die Aufzeichnungen bzw. Erinnerungen von Fritz Stubbe.—
Abb. 3: Sanatorium »Otto Stubbe« | um 1915
Im Jahr 1941 heiratete Fritz Stubbe die Witwe Marie Timm geb. Brandt (1904–1981), Eigentümerin des vis-a-vis gelegenen Sanatoriums
»Waldpark«. Er übernahm als sog. Geschäftsführer die wirtschaftliche Leitung dieser Heilstätte.
Marie Hirschfeld geb. Feraud verw. Stubbe blieb bis zu ihrem Tod im Jahre 1949 Geschäftsinhaberin des Sanatoriums »Otto Stubbe«.
Aufgrund des öffentlichen Testamentes vom 2. September 1943 ging die Heilstätte zu gleichen Teilen in den Besitz der beiden Söhne,
Dr. med. Hans Stubbe (1894–1973)/Heide i. Holstein und Fritz Stubbe/Sülzhayn über. Beide überführten zum 1. Januar 1952 den
Betrieb in eine offene Handelsgesellschaft (OHG) unter dem geänderten Firmennamen »Sanatorium Stubbe, Sülzhayn«.
Alleiniger Konzessionsinhaber blieb Fritz Stubbe. Die Vermögensanteile seines in Westdeutschland lebenden Bruders wurden von der
Investbank Erfurt verwaltet.
Physisch und psychisch niedergeschlagen verstarb Fritz Stubbe am 8. Juni 1960 im Kreiskrankenhaus Ilfeld nach Suizid am
Bahnübergang der Harzquerbahn nahe dem Klinikgelände. Der Begräbniseintrag (St. Katharinen Sülzhayn, Nr. 6/1960) vermerkt
zu den Todesumständen lapidar: »verstorben durch Selbstmord infolge verminderter geistiger Zurechnungsfähigkeit
(ärztl. festgestellte fortgeschrittene Gehirnverkalkung).« Tatsächlich war Fritz Stubbe seit Jahren schwer Magenkrank
(rezidivirendes Magenulcus) und Inhaber eines Schwerbeschädigtenausweises (50%). Die absehbare Verstaatlichung des Sanatoriums
und ein Tumorleiden stürzten ihn in schwere Depressionen. Seine Urne wurde am 16. Juni 1960 auf dem Alten Friedhof an der
Ellricher Straße beigesetzt.
Da Fritz Stubbe kein Testament hinterließ, trat die gesetzliche Erbfolge ein. Der einzige Sohn, Jürgen Stubbe (1942–2012)
erbte 75%, die Ehefrau, Marie Stubbe verw. Timm geb. Brandt, erbte 25% seiner Geschäftsanteile am Sanatorium. Am 1. August 1961
wurde das Sanatorium Stubbe in staatliche Verwaltung übernommen, das gesamte Inventar verkauft und der Betrieb als Lungenheilstätte
eingestellt. Fortan diente das Gebäude der Unterbringung körperbehinderter Kinder und Jugendlicher der Sonderschule in Sülzhayn.
Am 11. August 1976 folgte schließlich der Verkauf an die Gesundheitseinrichtungen Sülzhayn (GES).
Abb. 4: Haus Stubbe | um 1970
Für den Neubau des sog. »Bettenhauses« wurde das inzwischen marode gewordene Heilstättengebäude 1978 abgerissen.
Auch die anderen zum Sanatorium gehörigen Gebäude stehen nicht mehr. Das Wohnhaus an der Dr.-Kremser-Straße [Abb. 2]
wurde noch in den 1970er Jahren abgebrochen, das sog. »Berghaus« hinter dem Sanatorium Ende der 1980er Jahre (1988?).
Reinhard Glaß | November 2022
|1| Aus dem Bauernhof entstand 1900–1901 durch Umbau das Sanatorium »Glück auf«.
|2| Der am 27. Juli 1906 wegen Intrigen entlassene leitende Arzt, Dr. med. Goswin Zickgraf (1879–1944),
veröffentlichte am 16. August 1906 im »Vorwärts«, dem Zentralorgan der SPD, unter der Überschrift
»Eine Muster-Heilanstalt« einen anonymen Negativ-Bericht über die Verhältnisse im Sanatorium, der zugleich
eine Abrechnung mit dem Ehepaar Hirschfeld darstellt.
Eine Muster-Heilanstalt,
in: »Vorwärts« Berliner Volksblatt. 23. Jahrgang, 1906, Nr. 189 vom 16.08.1906
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Dateiname: zickgraf_vorwaerts_23.1906.pdf
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