Ev.-luth. Kirche St. Johannis-Pauli Niedersachswerfen | Glocken

Die Glocken

  1. Geschichtliches
  2. Die Stahlglocken

»Erz für Deutschlands Wehr 1917. Stahl zu Gottes Ehr 1923«

»Wie das Blut von 98 Männern dieser Gemeinde im Weltkriege der Jahre 1914–1918, so ist auch für das Vaterland dahingeflossen ihrer Kirchenglocken edles Metall. Nach einem Abschiedsgottesdienst und letztem Geläut am Vorabend sind die große und kleine der drei Glocken am 14. Juni 1917 auf dem Kirchturm wimmernd zerschlagen. Ihr Metall wog 30 Zentner auf der Nordhäuser Ratswaage und wurde der Kirchengemeinde mit 5500 Mark vom Reichsmilitärfiskus vergütet. Beide Glocken waren gegossen bei Jauck in Leipzig im Jahre 1869 und am 15. September auf den Turm der damals neugebauten Kirche gezogen. Wie ihre Vorgängerin aus dem Jahre 1508 trug die große Glocke die Inschrift: ›VERBUM CARO FACTUM JESUS NAZARENUS REX IUDAEORUM A. D. MLCCCLXIX‹ (Das Wort ward Fleisch / Jesus von Nazareth, der Juden König / Im Jahre des Herrn 1869), die kleine aber die Worte: ›IN PRINCIPIO ERAT VERBUM ET VERBUM ERAT APUD DEUM A. D. MLCCCLXIX‹ (Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott / Im Jahre des Herrn 1869). Einsam im Turm blieb hängen die alte Bauernglocke die nach ihrer Inschrift ›Verfertiged Johann Wilhelm Brauhof in Nordhausen nach Nieder-Sachs-Werffen Anno 1799‹.
Trotz aller Opfer ging der Krieg verloren und immer schlechter wurden die Zeiten. Da wurde von einer am 12. November 1922 in die Kirche berufenen Gemeindeversammlung befürwortet, mit der Ergänzung des Geläutes nicht länger zu säumen. Ein von ihr gewählter Ausschuß hat mit dem Kirchenvorstand am 25. Januar 1923 einstimmig beschlossen, die alte Glocke aus Bronze an eine andere Gemeinde zu verkaufen und von dem Erlös die neuen Glocken aus Stahl durch Ulrich & Weule in Bockenem gießen zu lassen. Was an den Kosten fehlt, wird vertrauensvoll von der Treue der Einwohner, der Gunst der Werklassungen und der Heimatliebe der in der Fremde lebenden Sachswerfer erwartet.
Besonders dankenswert ist die Hilfsbereitschaft des Ammoniakwerkes beim Entladen und Aufhängen der 79 Zentner schweren Glocken. Sie kamen an auf dem Bahnhof am 2. Juni 1923 und wurden, da der andere Tag ein Sonntag war, am 4. Juni auf zwei Wagen geladen und mit Kränzen umwunden ins Dorfe gefahren, unter Geleit der singenden Schuljugend und unter Geläut der alten Glocke. Ihr wurde an der Kirche ein Abschiedswort gewidmet, den neuen Glocken ein Willkommensgruß – und die ganze große Versammlung sang: ›Nun danket alle Gott.‹

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Abb. 1: Herablassen der im Turm verbliebenen Bronzeglocke
(8. Juni 1923)
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Abb. 2: Die neuen Stahlglocken | Juni 1923

An der Südseite des Turmes wurde ein Gerüst errichtet und die alte Glocke – 14,5 Zentner schwer – am 8. Juni herabgelassen. 124 Jahre hat diese Glocke der Gemeinde Niedersachswerfen geläutet – 70 Jahre vom alten Turm und 54 vom neuen. Nun soll sie der Gemeinde Lippoldshausen (1) weiter dienen.
Nachdem der Glockenstuhl umgebaut, wurde die große Glocke am 12. Juni hochgezogen. Sie wiegt 44,5 Zentner und trägt die Inschrift: ›Kirchengemeinde Niedersachswerfen / Erz für Deutschlands Wehr 1917, Stahl zu Gottes Ehr 1923‹. Die beiden anderen Glocken sind infolge eines auf der Gießerei herrschenden Ausstandes ohne Inschrift geblieben. Sie wurden am folgenden Tage auf den Turm gebracht und übereinander gehängt, während die bisherigen Bronzeglocken alle drei nebeneinander hatten hängen können. Wie diese, sind auch die neuen Glocken auf den Dreiklang D, Fis, A gestimmt. Nach einem Probeläuten am 15. Juni sind sie am 3. Sonntag nach Trinitatis, dem 17. Juni 1923, in einem Festgottesdienst von der Gemeinde in Gebrauch genommen. Mögen sie nun die Gemeinde zu Gott rufen – von Geschlecht zu Geschlecht.«

1 Die Bronzeglocke bekam 1924 in Lippoldshausen einen Sprung und wurde für eine neue eingeschmolzen.

Literatur:

  • Niedersachswerfen : Unsere Glocken,
    in: Bote vom Südharz : Gemeindeblatt für die Grafschaft Hohnstein und angrenzende Gemeinden des Südharzes. 10. Jahrgang. 1917, Nr. 4, S. 27–28

Quelle:

  • Pfarrarchiv Niedersachswerfen | Nr. 513: Glocken (vermutlich verfasst von Pastor Rasch)

Bildnachweis:

  • Pfarrarchiv Niedersachswerfen | Aufnahme: Kurt Ludwig, Niedersachswerfen

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