Die Grundsteinlegung zu der Heilanstalt Sülzhayn am 11. August 1896
»Wenn der Vorstand auch aus naheliegenden Gründen sich verpflichtet glaubte, bei dem Bau der Heilanstalt
von jeder mit besonderen Kosten verknüpften Repräsentation absehen zu müssen, so wollte er doch den eigentlichen
Beginn des Baues nicht ganz unbemerkt vorübergehen lassen. Er hatte deshalb den Theilnehmern an der Aufsichtsrathsitzung
vom 11. August vorgeschlagen, bei dieser Gelegenheit im engsten Kreise den Grundstein zu dem Hauptgebäude zu legen.
Leider waren die Herren Justizrath Hase und Oberbergrath Schreiber durch ihren Ferienurlaub verhindert, an der
kleinen Feier theilzunehmen, was der Vorstand umsomehr bedauerte, als er gerade in diesen beiden Herren vom Anfang
an besondere Freunde und Förderer des gesammten Projektes begrüßen durfte. Unmittelbar nach Schluß der Sitzung
[des Aufsichtsrates] begaben sich die Theilnehmer an derselben, unter ihnen der Kommissar der Aufsichtsbehörde,
Geheimer Bergrath Professor Dr. Arndt, von Ellrich über Sülzhayn nach dem Bauplatze, auf welchem zur Zeit ungefähr
120 Arbeiter beschäftigt sind. Schon von weitem grüßte von der Spitze des kleinen Steierberges ein Fahnenmast,
welcher mit einem riesigen Bergmannswappen - Schlägel und Eisen - gekrönt war; auch hatten es sich die Arbeiter
nicht nehmen lassen, an der Stelle, wo sich die Zufahrtsstraße von der Chaussee abzweigt, eine Ehrenpforte zu
errichten und den ganzen Weg mit Tannengrün und Fähnchen zu schmücken.
Die Stelle, an welcher der Grundstein eingemauert werden sollte, war von Flaggenmasten umgeben: sie liegt ziemlich
genau in der Mitte der Vorderfront des Hauptgebäudes, dessen gekrümmte Form schon jetzt zu erkennen war, da von
dem Bergabhange herauf bereits die riesigen Fundament-Pfeiler emporsteigen, welche die Grundlagen für die vorspringenden
Seitengebäude bilden sollen. Nachdem nunmehr der Bauplatz etwas eingeebnet und freigelegt ist, zeigt sich die herrliche
Lage des Platzes erst recht deutlich - nach allen Seiten hin gedeckt und doch freiliegend, mitten in der Waldeinsamkeit
und doch nicht gerade abgelegen.
Die Grundsteinlegung selbst nahm einen sehr stimmungsvollen Verlauf. An der einen Seite des Grundsteines hatten die
Festtheilnehmer, an der anderen die große Schaar der bei dem Bau beschäftigten Arbeiter Aufstellung genommen, während eine
oberhalb des Bauplatzes aufgestellte Musikkapelle mit ernsten und heiteren Weisen die Feier begleitete und weiter unterhalb
Sprengschüsse von den Bergen wieder tönten.
Zunächst ergriff
Direktor Stieber das Wort, der die Anwesenden begrüßte und sich nach
einigen einleitenden Worten an die ihn umgebenden Arbeiter wendete und ihnen auseinandersetzte, welchen Zwecken dieses
Haus dienen soll. In ihm sollten kranke und sieche Arbeiter das kostbarste Gut des Menschen, die Gesundheit, wieder
erhalten, ohne dafür einen Pfennig Geld auszugeben; denn Aufenthalt und Pflege in der Anstalt, sowie die Kosten der
Hin- und Rückreise trüge die Kasse, die im Bedürfnißfalle selbst die in der Heimat verbliebenen Angehörigen unterstütze,
damit sie nicht während der Abwesenheit ihrer Ernährer Noth leide. Mit herzlichen Wünschen für das entstehende Haus
schloß er seine kurze Ansprache und theilte dann mit, daß außer den Denkschriften, Geschäftsberichten und Zeitungen
auch eine Ausfertigung der beiden entscheidenden Generalversammlungsbeschlüsse vom 19. October 1895 und 1. Mai 1896
über die Errichtung der Anstalt in den Grundstein eingefügt werden sollte. Die Urkunde über die Grundsteinlegung hatte
folgenden Wortlaut:
Heute, am 11. August 1896, haben sich die Endesunterzeichneten auf dem Bauplatze der
›Heilanstalt Sülzhayn‹
der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse zu Halle a. S. eingefunden, um den Grundstein zu dem Hauptgebäude
dieser Anstalt zu legen. Sie vollziehen diese feierliche Handlung, indem sie der im Entstehen begriffenen Anstalt
ein herzliches ›Glück auf‹ zurufen. Möge dieselbe alle gehegten Erwartungen erfüllen. Zur Beurkundung
dessen haben sie dieses Schriftstück mit ihren Namen unterschrieben
Sülzhayn, den 11. August 1896
Dieselbe war von dem Aufsichtskommissar, dem Aufsichtsrathe – für die fehlenden Mitglieder hatte der Vorsitzende mit
unterzeichnet – dem Vorstande und dem bauleitenden Architekten unterschrieben.
Nachdem hierauf die Dokumente in die Bleibüchse eingefügt und die zugelöthete Büchse in dem Grundsteine eingemauert war,
ergriffen die Festtheilnehmer nach einander den Hammer und sprachen dem Bau unter Ausführung der drei Hammerschläge ihre
Glück- und Segenswünsche aus, zuerst der Aufsichtskommissar und zuletzt die beiden Poliere, von denen der eine wünschte, daß
Arbeiter sich nicht widerspenstig zeigen, sondern sich immer willig den Anordnungen fügen möchten.
Zum Schlusse forderte Direktor Stieber die Anwesenden auf, nicht auseinander zu gehen, ohne dem allmächtigen Gott von
ganzem Herzen dafür zu danken, daß er unser Werk bis hierher gefördert habe und ihn zu bitten, daß er auch fürderhin mit
seinem reichen Segen über demselben walten möge und schloß die von herrlichem Wetter begünstigte Feier.
Mögen die ausgesprochenen Wünsche alle in Erfüllung gehen und die Anstalt emporwachsen zum Segen der Leidenden, zum
Stolze der Erbauer und zur Freude aller derjenigen, welche ihr ein herzliches Interesse entgegenbringen.«