Das Sanatorium »Erholung« war der einzige Heilstättenneubau eines aus Sülzhayn gebürtigen Bauherren. In den Jahren 1906–1907
wurde das Sanatorium für den Kaufmann Hermann Trenkner (1879–1930) am Sackberg errichtet. Entwurf und Ausführung erfolgten durch das Hoch-
und Tiefbaugeschäft Bergh & Fettke, welches zeitgleich im Oberdorf mit der Errichtung des Sanatoriums »Hohentanneck«
beschäftigt war. Dem Konkurs der Firma Bergh & Fettke Ende 1907 folgte eine gerichtliche Auseinandersetzung mit Hermann Trenkner,
deren Verlauf und Ausgang in den Bauakten nicht überliefert ist.
Am 6. Januar 1907 bezog Hermann Trenkner seine im Anstaltsgebäude befindliche Wohnung. Die Erlaubnis zur Inbetriebnahme des Sanatoriums
wurde am 1. Februar 1907 nach zuvor erfolgter Bauabnahme durch den Ilfelder Landrat Ludwig von Doetinchem de Rande (1864–1941) erteilt.
Das Sanatorium erfreute sich großen Zuspruchs. In dem Buch Deutsche Lungenheilstätte in Wort und Bild aus dem Jahr 1913 heißt es:
„Ein wie großes Bedürfnis die Errichtung der Anstalt war, ist daraus zu ersehen, daß dieselbe bereits ca. 3 Monate nach Eröffnung
voll besetzt war und auch stets geblieben ist. Der Andrang war ein ständig steigender. Trotzdem in der kurzen Zeit schon zweimal vergrößert
ist, so daß die Anstalt jetzt 36 Betten hat, bei der Eröffnung 25, können zeitweise nur die Hälfte bis zwei Drittel der sich Anmeldenden
aufgenommen werden; es ist deshalb eine nochmalige bedeutende Vergrößerung in absehbarer Zeit in Aussicht genommen.”
Abb. 1: Sanatorium »Erholung« | um 1915
Bereits zwei Jahre nach Eröffnung erfolgte eine erste Erweiterung des Sanatoriums nach Plänen von Maurermeister Hermann Zietzling (1871–1952)
aus Ellrich, 1912 die Installation von Wasserclosets. Mit den in den Jahren 1926 und 1929 erfolgten Bau- und Erweiterungsmaßnahmen erhöhte
sich die Kapazität des Sanatoriums auf insgesamt 75 Betten. Im Zuge dieser Maßnahmen räumte Familie Trenkner ihre in der Heilstätte
befindlichen Wohnräume (genauer Zeitpunkt nicht bekannt) und verzog ins Oberdorf in die Villa von Dr. Stein, der Anfang der 1930er Jahre
seinen Hauptwohnsitz mit Praxis nach Nordhausen in eine Villa am Geiersberg verlegte.
Am 28. März 1930 verstarb Hermann Trenkner mit nur 50 Jahren in Friedrichroda im Thüringer Wald. Daraufhin wurde das Sanatorium bis 1939
ohne Konzession weiterbetrieben, da diese mit dem Tod von Hermann Trenkner "unbemerkt" erloschen war – ein kollektives Versagen
von Erbengemeinschaft, leitendem Arzt und der Aufsicht führenden Gesundheitsbehörde. Auch die Reichsversicherungsanstalt hielt den
Nachweis einer Konzession offensichtlich nicht für erforderlich. Somit wurde »Erholung« zu Beginn der 1930er Jahre eine
Vertragsanstalt der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte Berlin für weibliche Lungenkranke. In ihrem am 10. März 1939
an das Staatliche Gesundheitsamt in Nordhausen gerichteten Antrag führt Else Trenkner diesbezüglich aus: „Im Jahre 1930 ist mein
Mann Hermann Trenkner, der die Konzession für das Sanatorium Erholung hatte, gestorben. Nach seinem Tode wurde das Sanatorium auf die
o.H.G. Sanatorium Erholung, Hermann Trenkner's Erben, Sülzhayn handelsgerichtlich überschrieben. Als deren Leiter wurde ich,
Frau Elsa Trenkner, bestellt. Mir ist nicht bekannt gewesen, dass für mich als den Nachfolger meines verstorbenen Mannes eine neue
Konzessionserteilung nötig sei, und deshalb ist diese Antragstellung unterlassen worden. Ich möchte hiermit beantragen, mir als den
Stellvertreter der o.H.G. Sanatorium Erholung, Hermann Trenkner's Erben, Sülzhayn die Konzession für den Weiterbetrieb der Anstalt
zu erteilen.” |1| Diesem Antrag wurde offensichtlich stattgegeben.
Zum 1. Januar 1959 wurde das Sanatorium »Erholung« in Pacht vom Rat des Kreises Nordhausen (Abt. Gesundheits- und
Sozialwesen) übernommen und der Staatlichen Heilstätte Sülzhayn angegliedert. Damit erhöhte sich die Kapazität der staatlichen bzw.
verstaatlichten Sanatorien in Sülzhayn von 602 auf 673 Betten. Durch den Rückgang der Tuberkulose in den Jahren darauf erfolgte zwischen
1965 und 1967 eine Umprofilierung der Sülzhayner Lungenheilstätten, die zum 1. Januar 1968 offiziell abgeschlossen war und das
Gesundheitswesen in Sülzhayn in die Bereiche Kur- und Bäderwesen, Sozialwesen (Pflegeheime) und Rehabilitation (Sonderschule)
aufgliederte. Dabei wurden die Sanatorien »Erholung«, »Hohenstein« und »Hohentanneck« dem Bereich
Sozialwesen zugeordnet und fortan als Alters- und Pflegeheime genutzt. Zentral verwaltet durch den Bereich 'Ökonomie und Planung'
firmierten die o. g. Abteilungen nun unter der Bezeichnung »Gesundheits-Einrichtungen Sülzhayn« (GES). 1983 übergaben
Hermann Trenkner's Erben Gebäude und Grundstück an die Gesundheitseinrichtungen Sülzhayn. Dieser "Schenkung" ging
allerdings eine Auflage der GES an die Erbengemeinschaft voraus, die Fenster des Hauses zu erneuern, was zur damaligen Zeit privat nicht
zu realisieren war (DDR-Mangelwirtschaft). Immerhin veranlassten die GES nach der Übereignung den Einbau neuer Fenster an der
Straßenseite. An der Substanz des Gebäudes änderte dies aber nichts mehr.
Am 1. Januar 1985 wurde der Bereich Sozialwesen aus den Gesundheitseinrichtungen Sülzhayn herausgelöst und durch die Zentrale
Heimverwaltung des Kreises Nordhausen (ZHV) übernommen, ebenso das Alters- und Pflegeheim »Abendsonne« in Werna
(damals Ellrich-Ost). „Die Zentrale Heimverwaltung wurde 1984 im Kreis Nordhausen gegründet, um, wie in anderen Kreisen der
DDR, die Niveauunterschiede bei der Unterbringung und Betreuung von alten, behinderten oder geschädigten Bürgern in einem staatlichen
Heim abzubauen. Die vordringlichste Aufgabe der Zentralen Heimverwaltung war die Analysierung der Verhältnisse in den angegeliederten
Heimen....” |2| Im Vorfeld der Übernahme durch die ZHV erfolgte am 29. November 1984 und 7. Dezember 1984
eine Inspektion der vier Heime. „Diese Begehung brachte eine Fülle von negativen Feststellungen.”
| Bericht lesen | PDF-Datei |. —
Abb. 2: Sanatorium »Erholung« | 2007
„Das Pflegeheim »Erholung« wurde 1987 wegen Totalverschleiß der technischen Gebäudeausrüstungen, der Sperrung
des Heizungsschornsteines und von Bauwerkschäden außer Betrieb genommen. Eine Wiederherstellung der Nutzungsfähigkeit ist nur
durch eine Komplexrekonstruktion möglich. Die Bewohner des Pflegeheimes fanden eine vorübergehende Unterbringung im ehemaligen
Kinderheim [Kinderhaus] der Gesundheitseinrichtungen Sülzhayn. Das Gebäude weist jedoch unübersehbare bauliche und heizungstechnische
Mängel auf, so daß Personal und Heimbewohner unter Unzulänglichkeiten arbeiten bzw. leben müssen.” |2| Dieser
Situationsbericht der ZHV vom 26. Oktober 1987 findet Bestätigung in den Eindrücken der Nachkommen von Wilhelm Atmer (1869–1952),
die im Juni 1990 erstmals Sülzhayn besuchen konnten: „Wir hatten nur die Fotos und Bilder aus der Blütezeit und die
Schilderungen unserer Großmutter in Erinnerung. Das Kurhaus [Kinderhaus] wurde als Altersheim genutzt, und wir waren entsetzt
über das kümmerliche Leben der dort anwesenden „Alten”. Es stank nach Menschenmief und Braunkohle. Die schönen Balkone
waren abgerissen und es war alles in einem erbärmlichen Zustand.” |3|
Die komplette Räumung von »Erholung« und die Verlegung sämtlicher Heimbewohner in das »Kinderhaus« im
Oberdorf begann am 8. September 1987 und war am 28. September 1987 abgeschlossen. Bereits im November 1987 notiert der
Einwohner Hans-Günter Rust (1949–2008), daß das „Kinderhaus, wo die alten Menschen von »Erholung« untergebracht
sind, wieder geräumt werden soll. Es ist zu kalt im Haus. Auf den Kesseln in der Heizung von »Lebenswende« sind nur
40°C.” |4|. Tatsächlich endete die Unterbringung alter und pflegebedürftiger Menschen im »Kinderhaus«
erst 1993. —
Zu einer Komplexrekonstruktion oder Abriß von »Erholung« kam es schließlich nicht mehr. In einer Aktennotiz der ZHV vom
26. Januar 1988 heißt es diesbezüglich: „Die Erarbeitung einer gemeinsamen Abrißkonzeption und Einleitung der Formalitäten
zur Durchführung des Abrisses mit der ZHV wird von der GE Sülzhayn abgelehnt. Diese Verfahrensweise wird von der Abt. Gesundheits- und
Sozialwesen verlangt. Die GE geht von der bestehenden Rechtslage aus, d. h. daß auf Grund der Ratsbeschlüsse von Bezirk und Kreis
die GE seit 1.1.1985 nicht mehr Rechtsträger des Gebäudes ist.” |2| Laut den Aufzeichnungen von Hans-Günter Rust vom
Herbst 1987 war der ZHV ein Abriß „zu kostenaufwendig. Das Gebäude bleibt stehen, bis es zusammenfällt.” |4|
Dies ist zugleich die aktuelle Zustandsbeschreibung im Sommer 2020, nach 33 Jahren Leerstand. —
R. Glaß | Juli 2020
|1| Thüringisches Staatsarchiv Gotha | Regierung zu Erfurt, Signatur 23088: Sanatorium Erholung (1906–1942), Blatt 159
|2| Südharz Klinikum Nordhausen | Die Brücke: Bestand ZHV
|3| Privatarchiv R. Glaß | Brief von F. Atmer an R. Glaß vom 11.02.2007
|4| Privatarchiv R. Glaß | Chronische Aufzeichnungen von H.-G. Rust. 1987, S. 2450 u. 2460 (Maschinenschrift)
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