Donnerstag, 5. Juli 1906
Ich hatte mich auf einen Frühspaziergang gefreut, da mich Kr. |1| für heute
»zum einleben« noch frei gegeben. Wird aber nichts, da in Strömen gießt.
Bleibt regnerisch. Gegen Abend gräulich schwül, sodaß eine Waldpromenade |2|
auch kein großer Genuß. Nachts mächtiges Gewitter aber nicht in unmittelbarer Nähe.
Ist wohl Witterung die mein Befinden beeinflußt, vielleicht auch Umstand, daß in
letzter Nacht nicht gut geschlafen. Magen ist wieder rebellisch u. fühle mich matt.
Da nicht hinaus kann beteilige mich etwas an Dienst, den sich Kr. |1|
m. A. n. |3| etwas schwerer wie nötig gestaltet. Heinz Braune |4|,
dem recht gut geht, ist auch ärztlich tätig. Ich empfinde etwas unangenehm, daß es
erst nach 8h. Frühstück gibt. Für Frühaufsteher spät. Auch imponiert mir das Essen
nicht. War früher entsch. besser. Ganz verwundert bin ich, dß auf Tischkarten
»Weinzwang« verzeichnet ist. Für Sanat. |5| in heutiger Zeit
sehr unangebracht. Deshalb kehre |6| ich mich auch nicht an solchen Hinweis.
Werde mich doch nicht zu Sachen zwingen, die mir nicht behagen.
|1| Dr. med. Emil Kremser (1859–1947), Chefarzt an der Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn
|2| Waldpromenade = Waldspaziergang |3| meiner Ansicht nach |4| Cand. med. Heinz Braune (1884–?) |5| Sanatorium |6| kehren = sich um etwas kümmern |