Sonntag, 26. August 1906
Wetter schlecht, nachdem Nachts mächtig geweht hat. Regnet fast unaufhörlich,
sodaß ganzen Tag an Zimmer gebunden bin. Wege sofort grundlos. Um Abwechslung
zu haben, eße zu Mittag im Waldpark |1|. Sehr mäßig u. dazu die Gesellschaft.
Mein Nachbar Hr. Pastor Jürgens |2| ist stets in Gefahr sich mit Messer –
Gebrauch der Gabel scheint er nicht zu kennen – den Mund aufzuschlitzen. Aehnlich
der Besitzer Hr. Thimm |3|. Bin froh, als wieder raus bin. Wann werde ich
wieder einmal mit Appetit essen können? Dr. Rosenstein |4| besucht mich.
Sehen uns einige interessante Fälle an. Er ergeht sich in Lobeserhebung für Frl.
Wachsen |5|. Seitdem sie Wirtschaft führe ginge alles vorzüglich. N. M.
|6| nehme zum ersten Mal einen Nachmittagskaffe in der Familie. Genuß ist
es nicht. Dr. H. |7| hat wohl etwas viel Narkotika erhalten u. schläft fast
fortwährend. Gegen Abend kurzer Spaziergang. Dann bei Emil Hofmann |8|.
Laße mich zu Flasche Rotspon |9| verleiten. Schmeckt aber gut.
|1| Sanatorium »Waldpark«
|2| Heinrich Jürgens (1861–1923), Pastor in Borne |3| Otto Timm (1874–1939), Besitzer des Sanatoriums »Waldpark« |4| Dr. med. Alfred Rosenstein (1877–?), Assistenzarzt an der Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn |5| Katharina Wachsen (1862–?) |6| Nachmittag |7| Dr. med. Hermann Hirschfeld (1875–1907), Leitender Arzt am Sanatorium »Otto Stubbe« |8| Emil Hoffmann (1868–1945), Besitzer des Sanatoriums »Kurhaus« und Schwager von Dr. med. Emil Kremser |9| Rotspon: siehe Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Rotspon) |